Die neue Whistleblower-Richtlinie – eine kritische Betrachtung


Kürzlich ist die neue EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern in Kraft getreten. Unternehmen ab 249 Mitarbeitern sind verpflichtet, eine Inhouse-Meldestelle für “Verstöße gegen das Unionsrecht” einzurichten und Hinweisgeber zu schützen. Was zunächst oberflächlich betrachtet wie eine Schutzmaßnahme für die Guten und Integeren dieser Welt klingt und “böse Machenschaften” zu Lasten der Gemeinschaft unterbinden soll, birgt auch hohe Risiken der missbräuchlichen Verwendung. Auch sind Erinnerungen an die Staatssicherheit in der ehemaligen DDR mit ihrem Spitzelwesen unumgänglich.

Zum einen könnte dieses neugeschaffene Werkzeug als Racheinstrument frustrierter oder bei der letzten Beförderung übergangener Mitarbeiter dienen. Mein Vorgesetzter war in meinen Augen unfair zu mir – zack, angeschwärzt über die vertrauliche Whistleblower-Hotline, er habe sich von Lieferanten “schmieren lassen”. Auch, wenn nach Prüfung nichts gefunden wird, es besteht immerhin “Aussage gegen Aussage”, etwas bleibt doch immer hängen, möglicherweise dauerhaft zum Nachteil einer Führungskraft oder eines Kollegen, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Ist das fair oder im Sinne der “guten Sache”? Wohl kaum. Dem Denunziantentum sind Tür und Tor geöffnet.

Zum anderen: Große Konzerne werden sicherlich, alleine durch ihre Compliance-Abteilungen überwacht, die notwendige Vertraulichkeit wahren, sollte jemand berechtigt Hinweise zu unlauterem Verhalten beim eigenen Arbeitgeber einreichen. Doch wie läuft es in mittelständischen Firmen, vielleicht familiengeführten, mit 300 oder 400 Mitarbeitern? Sicher, dass Hinweise nicht auf direktem Wege zum Firmenpatriarchen gelangen? Zum Geschäftsführer, der selbst Gegenstand des “Hinweises” ist mit einer Beschwerde über Steuerhinterziehung, Subventionsbetrug oder Verbrauchertäuschung? Ein neutraler Umgang mit gemeldeten Hinweisen ist hier zumindest gefährdet, Richtlinie “hin oder her”. Hinweisgeber werden zwar offiziell vor Kündigung und anderen Sanktionen wie Diskriminierung lt. Richtlinie geschützt, doch findige Arbeitsrechtsanwälte finden fast immer einen Weg und unterschwelliges Bossing/Mobbing ist nur schwer nachweisbar.

Ab dem 17. Dezember 2023 müssen auch Unternehmen ab 50 Mitarbeitern eine Whistleblower-Meldestelle einrichten. Damit erreicht dieser Prozess auch viele Handwerksbetriebe, bei denen vermutlich gerade der zweitgenannte Faktor noch lückenhafter umgesetzt werden wird.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Es bleibt aus Sicht des Autoren dieses Blogbeitrags abzuwarten, ob diese Maßnahme greift oder doch eher in viele Richtungen missbraucht wird. Das Thema “Inhouse” sieht der Autor überaus kritisch. Liegt strafbares Verhalten vor, so existieren genau dafür die Strafverfolgungsbehörden im demokratischen Rechtsstaat wie Polizei und Staatsanwaltschaft. Diese sind generell neutral und i.d.R. nicht “zu nah dran” am Unternehmen.

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